Am 20. Mai 1995 gab es die nächste Oldie-Nacht. Hier gab es die große Frage, wer nun der größte Star des Abends war. Suzi Quatro war schon das dritte Mal anwesend, war zumindest der größte weibliche Star, in Deutschland kam sie auf 11 Hits in den Top 20.
Smokie kam auf 17 Top 20 Hits, also schon fast unschlagbar. Fast logischerweise war die Band demnach auch zum vierten Mal dabei.
Alvin Stardust muss als Sonderstellung gelten. Sein letzter Hit war gerade 10 Jahre her, es war sein mindestens drittes Comeback, mehr dazu unten.
Tommy Roe kam extra aus USA, auch er hatte zwei Comebacks aufzuweisen.
Und die anderen Künstler waren auch nicht ohne, also war der Erfolg vorprogrammiert. Dave Ashby fungierte als „Pausenclown“, womit das Wort Langeweile nie auftauchen konnte.
1.) Sandie Shaw machte den Anfang, weil sie ohne Band, dafür mit Halbplayback kam, und prompt gab es einen Fehler beim Abspielen des damals gerne benutzten DAT-Bands, das sie dazu brachte, neu anfangen zu müssen. Aber Sandie war Profi genug, das locker aufzufangen. 1964 hatte sie in England ihren ersten Hit, direkt eine Nummer 1 mit einer perfekten Komposition von Hal David/Burt Bacharach Komposition „There’s Always Something There To Remind Me“. Das Original stammte von Lou Johnson ein paar Monate früher, aber Sandies Version war wirklich unschlagbar. Ihre nächsten Hits wurden alle von Chris Andrews geschrieben, bis auf ein Lied, ja, bis sie 1967 am Grand Prix teilnahm, „Puppet On A String“. Sie käme nur, um zu gewinnen, tönte sie selbstsicher in Wien, was dann auch zutraf. Sie trat, ganz ungeheuerlich für damalige Zeiten, barfuss auf, was ihr zusätzliche Schlagzeilen brachte. Sandie bekam mit 47 Punkten mehr als doppelt soviel Punkte wie der nächste Interpret aus Irland. Vicky (Leandros) sang damals für Luxemburg, und Deutschland landete mit sieben Punkten ganz weit hinten. Wer kennt heute noch die Sängerin Inge Brück? Keiner. „Puppet“ wurde Sandies größter Hit, 2 Wochen Platz 1 bei sich zuhause, was aber nichts ist gegen die acht Wochen Platz 1 bei uns. Kein Wunder, dass sie den Titel auch in deutsch sang. Aber dieses „Wiedehopf im Mai“ kam lediglich nur bis Platz 36. Dennoch, nirgendwo war sie so erfolgreich wie hier, also war sie auch ein TOP Star in Segenberg. Übrigens, kurz vor der Oldie-Nacht, 1994, hatte Sandie in England wieder einen kleinen Hit, „Nothing Less Than Brilliant“.
2.) Die Lords, genaugenommen die Beatband Nummer 1 in Deutschland, denn die Rattles und die Lords kamen zwar auf gleich viele Hits, aber die Berliner waren insgesamt besser platziert. Die meisten vermuten, dass ihr „Poor Boy“ (Platz 12) ihr größter Hit war, er steht aber in den Lord-Charts nur auf Platz 3. Das Traditional „Gloryland“ schaffte es auf Platz 5, ihre Debüt-Single, ein Cover von Johnny Kidd „Shakin’ All Over“ Platz 11, genau wie „Johny Brown’s Body“, auch ein Traditional aus den Südstaaten der USA. Lord Ulli lieferte wie gewohnt sein volles Programm, alle in der Band trugen ihre Beat-Uniformen, was ein gutes Bild abgab. Heute, nach dem Tod von Ulli im Jahr 1999, singt der Gitarrist und Autor der meisten eigenen Titel der Band, Leo Lietz, fast alle Lieder. Der Bassist Bernd Zamulo, der 1965 dazu kam, singt die restlichen Songs. Was am meisten erstaunt, ist, dass alle aktuellen Mitglieder noch ihre vollen Haare haben. Deutsche Beat-Musik scheint gut für die Hormone zu sein.
3.) Marmalade kam, da jedes Mal mit Dave Dee, auch schon zum dritten Mal nach Bad Segeberg. Erst spielte die Band ihre Titel, wobei sie auch ruhige Titel, die große Hits in UK und Deutschland wurden, sangen. „Reflections Of My Life“ und „Rainbow“ sind die besten Beispiele. Aber ohne den Beatles-Cover „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ geht natürlich nichts. Patz 2 erreichten sie damals bei uns damit. (UK Platz 1). Die Band wäre sicher, ohne Begleitband von Dave zu sein, nicht mehr so viel unterwegs, dennoch überzeugten sie jedes Mal wieder aus Neue durch ihre wirklich gute Musikalität.
4.) Dave Dee - wie schon zu erahnen, war auch er zum dritten Mal als Gast dabei. Die gute Zusammenarbeit mit Marmalade ließ sogar die ehemaligen „Dozy, Beaky, Mick & Tich“ vergessen. Daves Peitsche als Requisite für die „Legend Of Xanadu“ durfte er niemals vergessen, er machte das auch sehr gekonnt, absolut im Takt, was auch stimmen muss. 11 Top Ten Hits sind sehr viel, alle zwischen 1966 und 1969, das kommt nicht oft vor. Kein Wunder, dass das Publikum alle Songs kannte, ihn auch immer wieder liebte. Dazu war Dave, der ja im Januar 2009 starb, ein sehr netter Typ, der niemals den Fans ein Autogramm verweigerte, auch immer für nette Worte da war. Segeberg hätte ihn sicher noch heutzutage dabei haben wollen
5.) Tommy Roe & Band - Ja, er kam mit eigener Band, was schon mal als positiv zu bewerten ist. Dazu kostet das sehr viel Geld, gerade, wenn ein Interpret aus USA einfliegen muss. In Deutschland kam er auf vier Hits, zwei davon TOP Ten; 1962 war es „Sheila“ (Platz 9) und 1969 „Dizzy“ (Platz 4), was also ein gelungenes Comeback für ihn war. Die jeweiligen Nachfolgehits „Everybody“ und „Heather Honey“ landeten eher unter ferner liefen. Dennoch, die beiden Superhits liefen bei RSH rauf und runter. In USA kam Tommy bis 1973 auf 22 Hits, war dort also ein großer Star, in England waren es nur sechs Hits. Diese schrieb Tommy alle selber, so war er also ein gemachter Mann. Als Amerikaner und als TOP Star von mir angekündigt, bekam er den Applaus, den er verdient hatte.
6.) Alvin Stardust & Band - schon 1992 war er bei uns zu Gast, hatte auch den entsprechenden Erfolg verbuchen können. Kein Wunder, dass wir ihn gerne ein weiteres Mal holten. Alles Wichtige über ihn steht beim Jahr 1992.
7.) Suzi Quatro & Band - Zu Suzi ist eigentlich alles schon von mir bei den vorhergegangenen Oldie-Nächten geschrieben worden. Sie schaffte es einfach immer wieder, das Publikum, in ihren Bann zu ziehen. Auch heute dreht sie sich gerne ab und zu noch mal um, um dann den Zuschauern ihren Hintern zu zeigen, der noch genau so schlank ist wie damals, auch noch genau so gut wackelt wie in den 70ern. Das ist es, wofür sie damals (auch) berühmt war. Aber sie setzt sich auch mal ans Schlagzeug, wo sie genauso überzeugen kann, wie an ihrem Bass. Und sie spielt einen guten Bass. Übrigens auch perfekt Klavier.
8.) Smokie - Als Band zum Schluss aufzutreten, hat was Gutes aber auch was Schlechtes. Der Letzte war früher immer automatisch der größte Star. Aber - ich erinnere mich, als Cliff Richard RSH-Gold bekam, wurde ihm als Letztem auf der Bühne die Trophäe überreicht. Zu dem Zeitpunkt verließen sehr viel Gäste die Ostseehalle (schnell zum Parkplatz), was zum einen nicht gut aussah, zum anderen auch peinlich wirkte. Was mag in dem Moment der Künstler denken? Wer das einmal erlebt hat, möchte es wohl nie wiederhaben. Daher suchen sich manche TOP Künstler lieber einen Platz im letzten Drittel aus. Heute aber musste es bei Smokie unbedingt der Schluss sein, und kein einziger verließ die Kalkarena - das als Thema vorweg. Smokie - vier Mal dabei, und jedes Mal gab es mehr Applaus für sie. Das wünscht sich ein Veranstalter gerne, da solche Interpreten volle Häuser garantieren. Aber diesmal war alles anders. Dass Alan Barton als Sänger Chris Norman ersetzt hatte, wurde zu 100 Prozent honoriert, da er fast auf den Punkt nach Smokie klang. Eine großartige Leistung der Musiker, dass sie wieder den Sound wie früher hinbekamen. Wir hatten die Band schon lange für diesen Mai verpflichtet, als wir am 19. März erfuhren, die Gruppe habe bei ihrer aktuellen Tour einen schweren Unfall erlitten. Die Wetterverhältnisse waren schlecht, Eis glatte Fahrbahnen machten die Fahrt zum Flughafen Düsseldorf zur Rutschpartie. Da passierte es, der Band-Bus rutschte von der Fahrbahn und überschlug sich. Der Fahrer, wie auch fast alle Mitglieder der Band, kamen mit leichten Verletzungen davon, aber Alan Barton starb ein paar Tage später. Es war noch früh am Morgen, als man mich vom Sender aus anrief, ich möge sofort ins Studio kommen. Wir telefonierten alle Leute an, die mit den Buchungen von Smokie zu tun hatten, wie auch mit dem Management. Alle halbe Stunde ging ich in die aktuelle Sendung, um das Neuste zu berichten; was ja anfangs noch nicht ganz so schlimm klang. Der Rest ist bekannt - die Band wollte aufhören. Noch einmal einen neuen Sänger suchen? Noch einmal die Strapazen des hektischen Stresses bei Touren auf sich nehmen? Auch hier ist der Rest bekannt - Musiker bleiben Musiker. Smokie fand jemanden, der auch wie sie aus Bradford kam, auch nach Chris Norman klang, der sich zu Zeit übrigens weigerte, Smokie-Songs zu singen, auch nicht dem Namen in Verbindung gebracht werden wollte. Er ließ sich bezahlen dafür, dass er auf den Namen verzichtete usw. Meine Moderation an diesem Abend für genau diese Band war so schwierig wie wohl nie eine andere. Aber auch für Smokie, besonders für den neuen Sänger, Mike Craft, war es eine Herausforderung, denn es war ihr erster Auftritt in dieser Formation. Würde man ihn akzeptieren? Würde man buhen, ihn auspfeifen? Ich musste ja was dazu sagen, dass Alan Barton nicht mehr dabei war, dass ein neuer Sänger ab sofort vor der Gruppe vorne stehen würde - Die Band kam auf die Bühne - Mike sang „A summer evening on Les Champs Elyses…“ die ersten Worte von „I’ll Meet You At Midnight“. Schon nach diesem Satz erklang ein donnernder Applaus, die Band hatte es, wieder einmal, geschafft. Eins noch, gerade in diesem Jahr 1995, aber erst zwei Wochen später, kam ihre Jux-Version von „Alice“ auf den Markt, „Who The F… Is Alice“, bis Platz 18 kam sie. Hierzu noch zwei Fakten. Gompie, die Band des holländischen Allroundmusiker, der schon in den alten Rock'n'Roll-Zeiten Hits dort hatte, kam auf die Idee, das Lied mit dem Publikum so feiern, so kam es zu der damals gerne mitgesungen Zeile - Alice - Who The F… Is Alice. Gompie bekam dafür RSH Gold, erreichte Platz 2 in Deutschland. Fakt Nummer 2 - „Alice“ ist zwar der bekannteste Smokie-Song, aber nicht original von ihnen. Sie sangen es 1976, aber schon 1972 nahm es die australische Band New World zuerst auf.